Der Besuch von Außenminister Johann Wadephul in China ist ein Lackmustest für die Glaubwürdigkeit deutscher Außenpolitik. In einer Zeit, in der die chinesische Regierung unter Präsident Xi Jinping ihre Repression massiv ausweitet, darf Deutschland Menschenrechte nicht als Randnotiz behandeln, sondern muss sie ins Zentrum jeder strategischen Partnerschaft stellen.
Eine nachhaltige wirtschaftliche und politische Beziehung ist nur möglich, wenn Menschenrechte gewahrt und verteidigt werden. Minister Wadephul muss diese Themen in seinen Gesprächen klar benennen und öffentlich Position beziehen. Das ist nicht nur ein Gebot der Werteorientierung, sondern auch ein wichtiges Zeichen der Solidarität mit den Menschen in China, die unter Unterdrückung und Verfolgung leiden.
China verfolgt eine Politik systematischer Unterdrückung: Menschenrechtsverteidiger*innen werden willkürlich verfolgt und inhaftiert, die Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und Arbeitnehmerrechte sind quasi nicht-existent. Medien und das Internet werden streng kontrolliert, Überwachungstechnologien flächendeckend eingesetzt. Besonders gravierend sind die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Xinjiang, wo seit 2017 über eine Million Uigur*innen und andere turkstämmige Muslime interniert wurden. Auch in Hongkong haben drakonische Sicherheitsgesetze grundlegende Freiheiten ausgelöscht, während in Tibet kulturelle und religiöse Rechte massiv eingeschränkt und religiöse und ethnische Minderheiten zu „kultureller Assimilation“ gezwungen werden.
Wir erwarten von Minister Wadephul, dass er diese von China begangenen Menschrechtsverletzungen und Verbrechen klar anspricht und die Umsetzung der UN-Empfehlungen sowie die Freilassung von Hunderttausenden, unrechtmäßig inhaftierten Uigur*innen einsetzt, darunter der Sacharow-Preisträgers Ilham Tohti, sowie der Hongkonger Verleger Jimmy Lai.
Zudem sollte er auf ein Ende der staatlich verordneten Zwangsarbeit in Xinjiang drängen und die chinesische Regierung auffordern, unabhängige Gewerkschaften im ganzen Land zuzulassen – ein Mangel, der sämtliche Branchen, einschließlich der Automobilindustrie, betrifft. Schließlich sollte er klar signalisieren, dass seine Regierung konkrete Maßnahmen ergreifen wird, falls keine ernsthaften Schritte zur Verbesserung dieser Rechte erfolgen, die auch die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Arbeitnehmer untergraben.
Auch international versucht China, kritische Stimmen mundtot zu machen, etwa durch diplomatischen Druck auf UN-Gremien und Menschenrechtsverteidiger*innen im Ausland. Diese transnationale Repression ist eine Gefahr für Aktivist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen weltweit. In diesem Bereich hat sich die deutsche Regierung bereits einiges vorgenommen und entsprechende Ambitionen auch im Koalitionsvertrag festgehalten. Dennoch bleibt hier abzuwarten, inwieweit konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation beitragen.
Menschenrechte sind keine Verhandlungsmasse. Sie sind die Grundpfeiler für Gerechtigkeit, Stabilität und Vertrauen. Wer sie aufs Spiel setzt, riskiert nicht nur seine Glaubwürdigkeit, sondern auch die Zukunft einer fairen und nachhaltigen Partnerschaft.